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Religiolexikon

International Churches of Christ

GND-Nummer

4611233-9

Oberbegriff
Synonyme
  • ICC
  • ICoC
  • Boston Movement
  • Boston Church of Christ
  • BCC
  • Discipling Movement
Verwandte Begriffe
Kurztext

Eine 1979 in Boston von Kip McKean gegründete deviant baptistische Gemeinde. Sie ist aus traditionell-biblizistischen Gemeinden in Amerika hervorgegangen. 

Haupttext

Stichwort: Internationale Gemeinden Christi / Boston-Bewegung
von Wolfgang Behnk:

Entstehung und Geschichte

Die "Internationalen Gemeinden Christi" (IG Christi) gehen auf den Amerikaner Kip McKean (geb. 1954 in Indianapolis), zurück. 1971, während seines ersten Studienjahres an der Universität von Florida, kam er mit der studentischen Campusmission der - später so genannten - "Crossroads Church of Christ" in Gainsville/Florida in Kontakt, ließ sich taufen und wurde Mitarbeiter. Ihr Leiter, Charles H. "Chuck" Lucas, hatte die in jenen Jahren neu aufgekommene Menschenführungsmethode eines Systems von "Jüngerschaftsbeziehungen" ("Discipling" oder "Sheperding") übernommen und zur Grundlage seiner Gemeindearbeit gemacht. Jedem Jünger wurde ein mit 'geistlicher und ethischer Führungskompetenz' ausgestatteter "Hirte" (Shepherd) oder "Jüngerschaftspartner" (Discipler) zugeordnet. So entstand die missionarisch aktive "Crossroad-Bewegung', deren begeisterter Anhänger Kip McKean wurde.

Lehre

Die Bibel ist ein für die "Jünger" wortwörtlich zu nehmendes Gesetzbuch, Jesus der maßgebliche Gesetzeslehrer Gottes und das "kompromißlos” zu "imitierende" Vorbild.
Besondere Merkmale der Sekte sind:
a) das "Sheperding-System", d.h. die Führung eines jeden Mitglieds durch jeweils einen "Hirten oder einer Hirtin", die letztlich die wichtigsten Lebensentscheidungen für die jeweiligen "Schafe" treffen. Diese Form der Führung wird auch "Discipling" genannt;
b) die Lehre, daß in einer Stadt nur eine christliche Gemeinde existieren dürfe
c) die strikte Unterordnung von Gemeindeneugründungen unter die jeweilige "Muttergemeinde", bezeichnet als "Multiplying Ministries-System". Es muß abgewartet werden, ob diese Organisationsstruktur weiter aufrecht erhalten werden kann.
d) die Lehre, daß die Organisation um jeden Preis wachsen müsse und das Stagnation oder Rückgang Sünde sei "We need to have a conviction. If our churches are not growing, it's sin. Let me run that by you again: if a church is not growing, it's sin …you've got sin in your church - it's cursed, and you've got to do something about it - are you with me right here?" (=Wir müssen eine eindeutige Überzeugung haben: Wenn unsere Gemeinden nicht wachsen, dann ist es Sünde. Laßt mich das Euch nochmal sagen: Wenn eine Gemeinde nicht wächst, ist es Sünde... dann habt ihr Sünde in eurer Gemeinde - sie steht unter einem Fluch, und dann müßt ihr etwas dagegen tun, stimmt ihr mit mir überein?) (Kip McKean 1994).
Hier gibt es inzwischen kontroverse Diskussionen zwischen Kip McKean, der an dieser Lehre festhält und sie wieder neu einschärfen will und anderen Führern der ICOC.

Organisation

McKean bildete zusammen mit seinen WeItsektorenleitern und sonstigen "Top-leaders" ein EIferteam, das apostolische Autorität beanspruchte und "5 Milliarden verlorene Seelen" retten wollte. Während die Position des "Weltevangelisten" z.Zt. nicht besetzt ist, scheint es weiterhin Welt-Sektoren-Leiter zu geben.
In der Discipling-Pyramide der ICOC hat jeder Jünger einen Discipler über sich und dieser wiederum wird durch. einen noch "erfahreneren" Discipler geführt. Frauen haben ihre eigene, parallele Pyramide.
Bis in die intimsten Bereiche wird durch das Discipling-System alles reguliert. Selbst die Eheanbahnungen der Jünger werden durch ein präzise festgelegtes "Dating"-Protokoll gesteuert Die Beziehung der Gemeindeglieder untereinander soll in der ICOC-"Familie" wie die "zu leiblichen Geschwistern" sein.
Als Gottes "willfährige Armee" sollen die Jünger nicht nur erhebliche finanzielle Leistungen erbringen (mindestens den "Zehnten" vom Bruttoeinkommen), sondern durch regelmäßiges Anwerben von - meist jungen - Menschen die Expansion ("Multiplying") der ICGC sicherstellen.
Der Einsatz der Jünger für die "absolute Wahrheit" soll "extrem" und "ohne Kompromisse" sein. Nur so könnten "Gottes adoptierte Söhne und Töchter" "Satans Festung zerstören", Nachdrücklich wird vor äußeren "Feinden" gewarnt und davor, selber ein "Judas" zu werden, indem man seinen Leitern den Gehorsam verweigere oder "Spaltungen" verursache. Aus der Sünde des Ungehorsams helfen als Wiedergutmachung nur ein völliges "Zerbrechen" des reumütigen Jüngers, seine erneute, rückhaltlose Unterwerfung unter die Hierarchie und noch intensiveres "Engagement" beim "Jüngermachen".

Stellungnahme:

Besonders in den USA, aber zunehmend auch in Europa kam es wegen der scharfen Rekrutierungsmethoden zur Kritik an der Boston Church, wie sie vergleichbar in Bezug auf die "destruktive cults" bzw. Jugendreligionen bekannt wurde.
Im System der ICOC werden die Anhänger entmündigt und ihrer individuellen Freiheit und Entfaltung beraubt und von der Organisation völlig beansprucht. Formal beruft sich die ICOC zwar nach fundamentalistischer Weise auf die »vom heiligen Geist inspirierte unfehlbare Bibel«, in der Praxis geht die ICOC jedoch willkürlich mit der Schrift um; die Auswahl und Interpretation von Bibelstellen steht allein im Dienst der Begründung des spezifisch geprägten Jüngerschaftssystems.
So zog Kip MacKean den Galaterbrief und Kollosser 2,6-23 heran, um seinen Grundsatz zu legitimieren. "Beim Aufbau unseres Lebens, einer Gemeinde oder eines 'Systems' für eine Bewegung sind wir frei, alles zu tun, was die Bibel nicht ausdrücklich ... verbietet. (Galater; Kol 2,6-23)".
Sein Hinweis auf Gal. blendet die gesamte Botschaft dieses Briefes aus und "Kol 2,6-23" kritisiert eben das, was er unbekümmert fordert, nämlich "Gebote und Lehren von Menschen" auf Grund "selbstgewählter Frömmigkeit" (Kol 2,22 f.).
Kip McKean ersetzte den Erlösungsglauben an das, was Gott in Jesus Christus für die Menschen getan hat, durch den gesetzlichen Aktivismus der Jünger, welche ständig etwas für Gott tun sollen. Jesus gilt als »Master Discipler«, als »Herrscher, Meister, Leiter, Priorität« über »alle Gebiete unseres Lebens«, der mit absolutem Gehorsam nachgeahmt werden soll.
Tatsächlicher Master Discipler war jedoch McKean selbst, der eine heilsgeschichtliche Vollmacht wie Paulus beanspruchte.
Wenn McKean als "Grundstein" der Gemeinde nicht Jesus Christus (vgl. 1 Kor 3,11) angibt, sondern den "lebenslangen Prozeß" der "Verpflichtung zur Einigkeit", dann ist dies unbiblisch. Die Gemeinde versteht er als Wiederherstellung der Urgemeinde, als elitären "Rest", denen die »Abtrünnigen« gegenüberstehen. Gemeindewachstum wird nicht auf den Heiligen Geist Gottes zurückgeführt, der "weht wo er will" und erbeten sein will, sondern auf die unbiblische autoritäre Methode des Discipling. Zu kritisieren sind insbesondere:
Der Mechanismus des Schneeballsystems, die "Uminterpretation" menschlicher Freundschaften zu bloßen missionarischen Handlungsfeldern, die Kollektivierung der (ledigen) "Jünger" in ICOC-Wohngemeinschaften, die ausufernde Vereinnahmung durch zahlreiche obligatorische Gemeindeveranstaltungen und Zweierschafts-Termine, die bis in die Intimsphäre reichende umfassende Lebenskontrolle, der verordnete Abbruch des Kontaktes zu Menschen (auch zu Lebenspartnern), die sich nicht für die ICOC erwärmen können, sowie die systematisch geförderten Feindbilder.
Bei der ICOC-Sprache, die die Verbreitung der "guten Nachricht von Jesus" mit Adolf Hitlers "Blitzkrieg" vergleicht, ja als "spiritual holocaust" bezeichnet, scheint es sich nicht nur um einzelne Entgleisungen zu handeln, sondern um systemtypische Äußerungen. Von Doppelzüngigkeit muß man sprechen, wenn Neuinteressenten, die wissen wollen, was es denn mit der Anschuldigung gegen die ICOC, "eine 'Sekte' zu sein", auf sich habe, zunächst mit der Formel "Opposition ist normal" beschwichtigt werden, später jedoch mitgeteilt bekommen, derlei Anschuldigungen stammten von bösartigen Verfolgern und Feinden. (Machet zu Jüngern, 13/1.18/3)
Die ICOC versucht in Deutschland, insbesondere im Berlin-Brandenburger Raum, für Gottesdienste und Veranstaltungen, vor allem für Trauungen, kirchliche Räume (Dorfkirchen!) anzumieten. Dabei besteht die Gefahr der Täuschung.

Ratschläge:

Der Arbeitskreis Religiöse Gemeinschaften der VELKD gibt im Handbuch Religiöse Gemeinschaften den evangelischen Kirchengemeinden folgende Ratschläge zum Umgang mit den "Internationalen Gemeinden Jesu Christi":
1. Eine in den ICOC nichttrinitarisch nur »auf den Namen Jesus Christus« vollzogene Taufhandlung ist keine christliche Taufe.
2. Ein Patenamt gibt es in den ICOC nicht.
3. Die Übernahme eines kirchlichen Patenamtes durch ein Mitglied der ICOC ist nicht möglich.
4. Ein ICOC-Mitglied ist bei seinem Eintritt in die evang.-luth. Kirche zu unterweisen und zu taufen, falls es nicht vor seiner Mitgliedschaft in den ICOC rite getauft worden war.
5./6. Die kirchliche Trauung eines evang.-luth. Christen mit einem Mitglied der ICOC kommt wegen des »Jüngerschaftsprinzips« nicht vor.
7. Die Frage einer aushilfsweisen Trauung von zwei ICOC-Mitgliedern durch einen evang.-luth. Pfarrer stellt sich nicht.
8. Die Bestattung eines bisherigen ICOC-Mitgliedes durch einen evang.-luth. Geistlichen ist nur möglich, wenn kein Zweifel darüber besteht, daß der Verstorbene vor seinem Tod mit den ICOC gebrochen hat und nur durch den Tod am (Wieder-)Eintritt in die Kirche gehindert wurde.
9. Eine gastweise Zulassung von ICOC-Mitgliedern zum Abendmahl in der evang.-luth. Kirche ist nicht möglich.
10. Die Teilnahme eines evang.-luth. Christen an den "Abendmahls"-Veranstaltungen ("Brotbrechen" als Ausdruck der Wertschätzung Jesu) der ICOC ist nicht möglich und zieht ggf. - sofern sie nach einem seelsorgerlichen Gespräch fortgesetzt wird - den Verlust der kirchlichen Rechte nach sich.
11. Evang.-luth. Christen, die Veranstaltungen der ICOC fortgesetzt besuchen, sollte im seelsorgerlichen Gespräch die Unvereinbarkeit dieses Verhaltens mit der Mitgliedschaft und der Wahrnehmung kirchlicher Rechte in der evang.-luth. Kirche aufgezeigt werden.
12. Eine Überlassung kirchlicher Räume für Veranstaltungen der ICOC ist nicht möglich.

Zusammenfassung

"Die ICOC muß als totalitäres System bewertet werden, in dem die Anhänger entmündigt und ihrer individuellen Freiheit und Entfaltung beraubt und von der Organisation völlig beansprucht werden. Formal beruft sie sich zwar nach fundamentalistischer Weise auf die »vom heiligen Geist inspirierte unfehlbare Bibel«, in der Praxis geht die ICOC jedoch willkürlich mit der Schrift um; die Auswahl und Interpretation von Bibelstellen steht allein im Dienst der Begründung des spezifisch geprägten Jüngerschaftssystems. So zieht Kip MacKean den Galaterbrief und Kol 2,6-23 heran, um seinen Grundsatz zu legitimieren. »Beim Aufbau unseres Lebens, einer Gemeinde oder eines >Systems< für eine Bewegung sind wir frei, alles zu tun, was die Bibel nicht ausdrücklich . . . verbietet. (Galater; Kol 2,6-23)«. Sein Hinweis auf Gal blendet die gesamte Botschaft dieses Briefes aus und »Kol 2,6-23« kritisiert eben das, was er unbekümmert fordert, nämlich »Gebote und Lehren von Menschen« auf Grund »selbstgewählter Frömmigkeit« (Kol 2,22 f.).

Die ICOC verkünden nicht das Evangelium, sondern sich selbst. Kip McKean ersetzt den Erlösungsglauben an das, was Gott in Jesus Christus für die Menschen getan hat, durch den gesetzlichen Aktivismus der Jünger, welche ständig etwas für Gott tun sollen. Jesus gilt als »Master Discipler«, als »Herrscher, Meister, Leiter, Priorität« über »alle Gebiete unseres Lebens«, der mit absolutem Gehorsam nachgeahmt werden soll. Tatsächlicher Master Discipler ist jedoch McKean selbst, der eine heilsgeschichtliche Vollmacht wie Paulus beansprucht. Da McKean angeblich »bei Gott selbst« im Discipling steht, fungiert er in den ICOC als nicht zu hinterfragende höchste Weisungsinstanz. Von Aussteigern wird dies zurecht als guruistischer Personenkult kritisiert."

Bibliographie

Deutsche Nationalbibliotek

Index Theologicus

Handbuch Gemeinschaften und Weltanschauungen. Gütersloh, 2000 S. 301-322

Autoren Winfried Müller