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Biologische Medizin

GND-Nummer

4126895-7

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Synonyme
Verwandte Begriffe
Kurztext

Ideologisch belastete Bezeichnung für einen naturheilkundlichen Bereich der Alternativen Medizin , der auf Pragmatik und Erfahrungen beruht.

Haupttext

Die biologische Medizin richtet ihr Augenmerk besonders auf krankmachende Umweltfaktoren. "Die grundlegenden physiologischen Abläufe im Körper des Menschen werden entscheidend von seinem Umfeld, seiner Wohnsituation, seiner Ernährung oder seinem sozialen Bezugsnetz beeinflusst und bei Belastungen so lange wie möglich durch selbstregulierende Prozesse ausgeglichen. Wird diese Balance durch ein Übermaß an beispielsweise Stress, Fehlernährung oder Giften gestört, ist Krankheit programmiert, da die Selbstregulation überfordert ist." ( http://www.arztpraxis-borchert.de/biologische-medizin/definition/ [Stand: 26. 11. 2014])

Wikipedia schreibt im Artikel über Ganzheitliche Medizin folgendes:

"Im Gesundheitswesen machte seit Mitte der 1920er Jahre das Schlagwort von der „ Krise der Medizin “ die Runde. Erwin Liek als repräsentativer Fürsprecher für eine „ganzheitliche Medizin“ in dieser Zeit kritisierte „die“ Technik, „die“ Mechanisierung und „die“ Bürokratisierung der Medizin, beschwor eine „Ganzheit von Seele, Geist und Körper“ und fand ein lebhaftes Echo. Auch von angesehenen Vertretern der „ Schulmedizin “ wie Ferdinand Sauerbruch oder Ludolf von Krehl wurde die Auffassung vertreten, dass „praktische Heilkunst“ mehr als Naturwissenschaft sein müsse. Um 1929 tauchte der Begriff „Neue Deutsche Heilkunst“ auf, der völkisch-nationale Elemente in die Bemühungen um die Überwindung dieser „Krise“ einbrachte. Diese Tendenz wurde von der nationalsozialistischen Gesundheitspolitik bereitwillig in ihrer Kritik an der Schulmedizin aufgenommen, die als „jüdisch-marxistisch“ durchsetzt und zu stark sozialmedizinisch orientiert angesehen wurde. Mit Begriffen wie dem „großen Ganzen“, dem „Naturganzen“ oder dem „Volksganzen“ wurden Konzepte einer „biologischen Medizin“ mit Ärzten als „Gesundheitsführern der Nation“ formuliert. Rücksichtslos sozialdarwinistische Rassenhygiene “ wurde zur neuen Leitideologie. Sie begünstigte hunderttausende Zwangssterilisationen , die Vernichtung so genannten „lebensunwerten Lebens“ in zunächst zehntausendfachem Morden (so genannte „Euthanasie“- Aktion T4 ) und verbrecherische Humanexperimente vorwiegend in Konzentrationslagern durch Ärzte (siehe: Medizin im Nationalsozialismus ). Die Ermordung mehrerer Millionen Juden kann als horrende Eskalation angesehen werden.

Nach 1945 galten Schlagwörter wie „biologische Medizin“, „Synthese von Hochschulmedizin und Naturheilkunde“ oder gar „ Neue Deutsche Heilkunde “ als politisch stark vorbelastet. Dies traf auf „Ganzheitsmedizin“ offensichtlich nicht zu. Mit dieser Vokabel wurde versucht, eine desavouierte Strömung in der Medizin wieder salonfähig zu machen. Dabei gab es erstaunliche personelle Kontinuitäten. 1949 führte Werner Zabel , der Hitlers Leibarzt Theo Morell als Diätberater zur Verfügung gestanden hatte, in Berchtesgaden im Auftrag der „Arbeitsgemeinschaft der Westdeutschen Ärztekammern“ „Fortbildungskurse für Ganzheitsmedizin“ durch und veröffentlichte in der Zeitschrift „Hippokrates“ einen Aufsatz „Weiterbildung zur Ganzheitsmedizin“. Karl Kötschau , der in den 1930er Jahren als Prodekan der Medizinischen Fakultät „Jena zur Kampfuniversität für ganzheitliches Denken“ machen wollte und 1935 vom Reichsärzteführer zum Leiter der „Reichsarbeitsgemeinschaft für eine Neue Deutsche Heilkunde“ bestimmt wurde, propagierte in den 1950er und 1960er Jahren eine „Ganzheitsmedizin“, deren Fundamente aus Homöopathie , Naturheilkunde , Akupunktur und Psychotherapie bestehen sollten." [4] ( Wikipedia [Stand: 26. 11. 2014])

Zusammenfassung

Die ausschließliche Betonung von Pragmatik und Erfahrung ("Wer heilt - hat Recht!") ist aus wissenschaftlicher Sicht kritisch zu sehen, da die Reproduzierbarkeit der Heilungserfolge in der Regel nicht möglich ist. Zudem ist der Begriff Biologische Medizin wegen seiner Nähe zum nationalsozialistichen Sozialdarwinismus und seiner "Rassenhygiene" ideologisch vorbelastet und taugt damit nicht als neutraler wissenschaftlicher Begriff.

Bei der Betrachtung der unterschliedlichen Webauftritte von Vertretern der "Biologischen Medizhin" (Vgl. Quellenlinks) fällt auf, dass auch approbierte Ärzte, vor allem Internisten,  diese "Leistung" als individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) anbieten. Hier spielen meiner Meinung nach wirtschaftliche Gründe eine Rolle.

Nach meiner Meinung ist die inflationäre Ausbreitung solcher "alternativer Heilverfahren" auch Ausdruck für eine Erosion der Seriosität des medizinischen Systems zugunsten wirtschaftlicher Interessen. Hierfür spricht auch der Literaturbefund, der in der Deutschen Nationalbibliothek mit Stand vom 26. 11.2014 443 Titel mit dem Schlagwort "Biologische Medizin" verzeichnet.

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Autoren Winfried Müller
Geändert 20.05.2018