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Religiolexikon

Familienaufstellen

GND-Nummer

4521350-1

Oberbegriff
Synonyme
  • Familienaufstellung
  • Familien-Stellen
Verwandte Begriffe
Kurztext

Psychotherapeutische Methode nach Bert Hellinger, zur Klärung von Familienbeziehungen durch Aufstellen von Vertretern der Herkunfts- oder Gegenwartsfamilie.

Haupttext

Methoden und Inhalte

Der Teilnehmer (im Terminus technicus Hellingers "Klient" genannt) stellt seine "Gegenwarts-" oder "Herkunftsfamilie"auf. Hierzu bedient er sich der Hilfe anderer familienfremder Gruppenteilnehmer, die stellvertretend die Position von Familienmitgliedern einnehmen.

Hellinger behauptet nun über einen "phänomenologischen Erkenntnisweg" dem Klienten helfen zu können. Maßgebend ist dabei die Erkenntnis, dass er in ein "größeres Kraftfeld" und eine "Familienseele" eingebunden ist.(Anm.2)

Es gilt die "Ordnung der Liebe" wiederherzustellen. Nach Hellingers therapeutischen Verständnis

  • gibt es im Leben eine vorgegebene Ordnung. Teil dieser Ordnung ist es beispielsweise, dass der Erstgeborene seinen Platz vor dem Zweitgeborenen hat. Jede Störung dieser Ordnung macht krank.
  • "Kinder wollen ihre Eltern lieben". Jede Unterbrechen dieses Flusses der Liebe kann in Schmerz, Verzweiflung, Krankheit oder krankmachende Konstellationen umschlagen.(Anm.3)

Derartige Krankheiten und krankmachende Konstellationen sollen nun über das Familienstellen erkennbar sein und für den Klienten eine Lösung gefunden werden können. Dies ist an sich nichts Neues. Hellingers Methode weicht jedoch von den etablierten Methoden ab, indem bestimmten Mustern Pathogenität zugeschrieben wird. Er selbst greift ein und stellt dann die jeweilige Familie so um, dass eine von ihm als Problemlösung erachtete Konstellation entsteht. Hinzu kommen Vorschläge für die Änderung bestimmter Lebensaspekte oder der lapidare Hinweis, dass er keine Chance habe.(Anm.4)

Eine Anamnese findet nicht statt. Diese erschwere nur die "phänomenologische Wahrnehmung" (Anm.5)

Neben Familienaufstellen für Privatpersonen, hat die Hellinger-Szene nunmehr auch den lukrativen Markt der Personalentwicklung entdeckt. Mittels Organisationsaufstellungen werden Hilfestellungen z.B. bei Stellenbesetzungsfragen, Einführung eines neuen Produktes, der Erschließung neuer Märkte, hoher Mitarbeiterfluktuation oder zum Vorgehen bei Firmengründungen, Fusionen und Nachfolgeregelungen angeboten.

Für seine Anhänger gilt Hellinger als der Begründer der Familienaufstellung. Tatsächlich handelt es sich um ein Plagiat der unter dem Namen "Familienskulptur" bekannten Methode der amerikanischen Familientherapeutin Virginia Satir. Während bei Satir jedoch Lösungsmöglichkeiten von Therapeut und Klient in enger Zusammenarbeit entwickelt werden, basieren Hellingers Empfehlungen an die Hilfesuchenden nicht auf Dialog und einer klaren Diagnostik der Situation des jeweiligen Klienten, sondern auf einer durch nichts fundierten Spontanintuition, die er als "wissendes Feld" deklariert.

Beurteilung

Fehlende Intimität und Individualität

Familienaufstellungen (sog. Settings) finden vor einem Kreis von bis zu 500 Teilnehmern statt. Jemanden, der sich mit ernsthaften psychischen Problemen auseinandersetzen muss, sich in Schwierigkeiten befindet oder sogar ernsthaft erkrankt ist, kann mit einem solchen Massenauftrieb kaum wirksam geholfen werden. Es besteht eher die Gefahr eines "Showeffekts" und dass sich Teilnehmer gruppendynamischen Zwängen ausgesetzt sehen könnten.

"Fast-Food-Lösung" statt grundlegender Psychotherapie

Berichten zufolge dauern viele Aufstellungen oftmals nur wenige Minuten.(Anm.6) Ein verantwortungsvoller Therapeut muss sich fragen lassen, wie er ernsthaft in so kurzer Zeit die tatsächlichen Probleme erkennen und wirksam helfen will. Eher erinnert dieses Vorgehen an eine Art "Talk-Show-Mentalität", in der Probleme nur angerissen werden, aber eine wirkliche therapeutische Bearbeitung oder Betreuung nicht stattfindet. Der Klient bleibt alleingelassen. Mit wie wenig Sensibilität vorgegangen wird und welche weiteren Ereignisse dem folgen können, macht der Selbstmord einer Frau aus Norddeutschland nach einem Setting in Leipzig deutlich. Hellinger hatte die Frau vor versammelten Publikum als "das kalte Herz" bezeichnet und gemeint, die Frau könne niemand mehr aufhalten, dies könne auch Sterben bedeuten.(Anm.7) Etwa eine Viertelstunde nach Ende der Aufstellung verließ die Frau den Saal und hatte sich 24 Stunden später das Leben genommen. Dieses Verhalten zeigt einen erschreckenden Mangel an Sensibilität, therapeutischer Unfähigkeit, persönlicher Allmachtsphantasien und Missachtung der Menschenwürde.

Keine Anamnese

Wer auf der einen Seite einen derartigen Anspruch auf eine Betrachtungsdimension sogar über den einzelnen Klienten hinaus erhebt, wie Hellinger dies tut, handelt auf der anderen Seite fahrlässig, wenn er sich nicht vorher intensiv mit der Vorgeschichte des einzelnen Klienten beschäftigt hat. Gerade der vorher geschilderte Fall zeigt, dass ein Therapieansatz ohne vorherige gründliche Kenntnis der psychischen Probleme eines Betroffenen schlimme Folgen haben kann.

Absolutheitsanspruch

Hellinger will kein Guru sein. Gleichzeitig konfrontiert er jedoch die Klienten mit "apodiktisch vorgetragenen Interpretationen und Anweisungen".(Anm.8) Hellinger lässt nicht mit sich diskutieren. Bei Widerständen wird eine Aufstellung auch schon einmal abgebrochen. Wahrheit ist für Hellinger etwas Augenblickliches, schon kurze Zeit später kann etwas anderes auftauchen, völlig entgegengesetzt. Dies erinnert schon etwas an Bhagwan, der auch heute dies und morgen etwas anderes verkündete. Hellinger spricht von Wahrheit und meint Wahrnehmung. Er verwechselt Intuition und Realität.

Allumfassender Anspruch auf Lösungsansätze

Man gibt vor, neben Familienproblemen, auch noch in vielen anderen Bereichen Lösungen anbieten zu können. Mit einer angegebenen Bandbreite von Einsatzmöglichkeiten in so unterschiedlichen Gruppen und Bereichen wie "Familie, Psychosomatik, Psychosen, Trauma, Paartherapie, Seelsorge, Bewährungshelfer, Theater und Film, Organisationen"(Anm.9), erhebt Hellingers Methode einen derartig allumfassenden Kompetenzanspruch, der in der Realität wohl gar nicht eingelöst werden kann.

Abstruse Theorien

Bedenklich sind insbesondere seine Aussagen zu Kindesmissbrauch und zum Frauenbild.(Anm.10) Wer Kindesmissbrauch als eine "Unausgeglichenheit von Geben und Nehmen" bezeichnet und davon spricht, dass "der Missbrauch dem Ausgleich eines Gefälles innerhalb der Familie diente", lässt Zweifel an seiner fachlichen Kompetenz aufkommen. Wer Thesen, wie z.B. "der Mann vertritt die Familie nach außen und sorgt für den Schutz und die Grundlagen der Familie" oder es "zeigt sich häufig, dass es für alle Familienmitglieder besser ist, wenn der Mann den ersten Platz einnimmt" vertritt, propagiert ein Familien- und Frauenbild, das wohl kaum noch unserem heutigen Bild von Ehe und Familie entspricht.

Gerade zu an Volksverhetzung grenzen These wie "Eine jüdische Frau kann keinen Deutschen heiraten. Das geht schief"(Anm.11). Auch nutzt Hellinger immer noch den Jargon der Nazis, wenn er von Kindern mit einem jüdischen Elternteil von Halbjuden spricht.

Öffentliche Demütigung Hilfesuchender und Rechtfertigung sexuellen Missbrauchs

Seine abstrusen Theorien führen dazu, dass es Hellinger nicht nur im vorgenannten Leipziger Fall an Sensibilität fehlen lässt. Er propagiert geradezu die Unterwerfung der Opfer vor den Tätern. Einer Frau. die ihren spielsüchtigen und untreuen Ehemann verließ, droht er: "Wenn eine Frau so mit Männern umgeht, bekommt sie zum Beispiel häufig Brustkrebs". Sie solle sich deshalb vor dem Exmann verneigen und um Verzeihung bitten.(Anm.12)

Noch schlimmer ist sein Umgang mit Opfern sexuellen Missbrauchs. Der Mann trage keine Schuld, denn er sei "nur Blitzableiter" und "er ist sozusagen das arme Schwein". Er könne nichts dafür, denn "die Tochter bietet sich an oder die Frau überlässt dem Mann die Tochter oder bietet sie ihm an." Die Mütter seien "in sehr vielen Inzestfällen" nach Hellinger "die graue Eminenz des Inzest". Sie würden sich dem Vater körperlich verweigern und ihm stattdessen die Tochter zuschieben. Der Mann könne dieser Versuchung schwer widerstehen.

Inzest sei nur der Versuch, das Gefälle auszugleichen, das dadurch entstanden sei, dass man etwas vorenthalten oder nicht gewürdigt habe. Damit die von Hellinger propagierte Ordnung wiederhergestellt werden könne, müss sich nun das Opfer vor dem Täter verneigen. Doch damit nicht genug: "Die Lösung für das Kind ist, dass das Kind der Mutter sagt: 'Mama, für dich tue ich es gern', und dem Vater: 'Papa, für die Mama tue ich es gern'." Oder auch: "Papa, ich habe es gern für dich gemacht".(Anm.13) Durch dieses Vorgehen Hellingers wird das Opfer auf der seelischen Ebene dann zum zweiten Mal vergewaltigt. Mit derartigen Thesen hätte er im Übrigen auch gut in die Theoriewelt der "Aktionsanalytischen Organisation" des wegen Sexualdelikten verurteilten Otto Mühl gepasst.

Teil der bunten Esoterikszene statt seriöser Therapie

Hellingers Psychoveranstaltungen sind eher Teil der facettenreichen Esoterikszene, denn einer Psychotherapie. So finden sich beispielsweise bei den Esoteriktagen 2000 Fachvorträge über Hellingers Familienstellen neben der "Einführung in das Gesichts- und Handlesen", "Einklang durch schamanisches Räuchern", "Wunderbare Lebensenergie durch Tachyoenergie", "Erklärung zu den Prognosemöglichkeiten in der Astrologie aufgrund eigener Erfahrung" etc.

Seine Methode ist eher als "Selbsterfahrungskurs" ohne wissenschaftliche Basis, denn als Therapieverfahren zu beurteilen. Es fehlt "eine elaborierte Krankheitslehre mit differentieller Ätiologie, die Störungen nicht nur mit einem oder zwei Verursachungsmomenten erklärt, wie Hellinger mit mangelnder Ordnungsakzeptanz".(Anm.14)

Gegen eine Verbindung mit Hellingers Methoden wehren sich deshalb auch Vertreter der systemischen Psychotherapie. Sie stellen fest: "Hellingers Methoden haben mit der systemischen Therapie nichts gemeinsam. Wer beide in einem Atemzug nennt, betreibt Etikettenschwindel."(Anm.15)

Zusammenfassung

Anmerkungen

Anm.: 1) 2000 Das virtuelle Bert-Hellinger-Institut-Kurzbiografie (http://www.hellinger.com/deutsch/)

Anm.: 2) ebd. -Das Familien-Stellen-Eine Einführung von Bert Hellinger "...statt nur auf den Klienten zu schauen, schaut der Therapeut auch auf dessen Familie, und statt nur auf den Klienten und dessen Familie zu schauen, schaut er über beide hinaus auf das Kraftfeld und die Seele, die sie umschließt. Denn dass der Einzelne und seine Familie in eine größeres Kraftfeld und in eine größere Seele eingebunden sind und von ihnen über sich hinaus benutzt und in den Dienst genommen sind, ist offenkundig. Ebenso, dass sich die Einsicht in das Problem und die möglichen Lösungen oft erst aus der Verbindung mit dem jeweils Größeren ergibt. Wenn ich also der Seele des Klienten helfen will, sehe ich sie gesteuert von der Familienseele. Doch wenn ich auch hier nur auf den Klienten und seine Familie schaue, erkenne ich vielleicht die Ordnungen und Gesetze, welche zu Verstrickungen führen. Wo aber die Lösungen liegen, erfasse ich erst, wenn ich einen Zugang finde zu dem Kraftfeld und zu Dimensionen der Seele, welche den Einzelnen und sein Familie übersteigen."

Anm.: 3) Finke, "Psychoszene-Die systemische Familientherapie nach Hellinger" in Materialdienst der EZW 2/98 S. 54 ff.

Anm.: 4) Simon/Retzer "Das Hellinger Phänomen" in: "Psychologie heute" Juni 1995, S. 28 ff.

Anm.: 5) ebda. -Das Familien-Stellen-Eine Einführung von Bert Hellinger "...Die phänomenologische Wahrnehmung gelingt am besten, wenn nur das Notwendigste erfragt wird, und zwar erst unmittelbar vor der Aufstellung. Diese notwendigen Fragen sind:

  1. Wer gehört zur Familie?
  2. Sind Familienmitglieder totgeboren oder früh verstorben, und gab es in der Familie besondere Schicksale, zum Beispiel eine Behinderung?
  3. War jemand von den Eltern oder Großeltern vorher in einer festen Bindung, also verlobt, verheiratet oder sonstwie in einer längeren bedeutsamen Beziehung?

Eine weitergehende Anamnese erschwert, in der Regel, die phänomenologische Wahrnehmung sowohl beim Therapeuten als auch bei den Stellvertretern. Deswegen lehnt der Therapeut auch Vorgespräche oder Fragebögen, die über die genannten Fragen hinausgehen, ab."

Anm.: 6) Finke a.a.O.

Anm.: 7) Finke a.a.O. In Leipzig nahm auch eine Ärztin aus Norddeutschland an der Familienaufstellung teil. Bereits nach wenigen Minuten sah sich die Frau mit heftigen Attacken durch Hellinger konfrontiert. Eine Zeugin erinnert sich wie folgt: "Das Paar (gemeint ist die Ärztin mit dem Vater ihrer Kinder) saß neben Hellinger. Und er sagte zu dem Mann: dort sitzt die Liebe. Und so zum Hörerkreis gewandt und so auf sie (die Frau; Anm. d.Verf.) zeigend: Und hier sitzt das kalte Herz." Und später: "Die Kinder sind bei der Frau nicht sicher, die gehören zum Mann. Hellinger hat dann gesagt: die Frau geht, die kann keiner mehr aufhalten, das hat er sozusagen in den Hörerkreis gesagt, und hat sich dann zu ihr ... umgewandt und gesagt: Das kann auch Sterben bedeuten."

Anm.: 8) Colin Goldner, Psycho "Therapien zwischen Scharlatanerie und Seriosität", S. 194

Anm.: 9) 2000 Das virtuelle Bert-Hellinger-Institut-Kurzbiografie Siehe: http://www.bert-hellinger.de/teilnehmen_und_lernen/teil_lern_frame.html [Stand: 21. 03. 2005] Der Artikel ist nicht mehr online verfügbar!!!

Anm.: 10) 2000 Das virtuelle Bert-Hellinger-Institut-Kurzbiografie http://www.hellinger.com/deutsch/virtuelles_institut/index.shtml -Einige Fragen und Antworten zu Hellinger, seiner Therapie und seinen Einstellungen.

Anm.: 11) Lakotta: "Danke lieber Papi" in: Der Spiegel Hamburg (2002)7

Anm.: 12) Buchholz: "Da sitzt das kalte Herz" in: Die Zeit Hamburg (2003)35

Anm.: 13) Petrus van der Let: "Mitschuld am Missbrauch? - Hellingers Umgang mit Inzest. In: Goldner, Collin: Der Wille zum Schicksal - Die Heilslehre des Bert Hellinger. Wien: Verlag Carl Ueberreuter, 2003

Anm.: 14) W. Köthke et al. Psychotherapie auf dem Prüfstand, Göttingen, 1999

Anm.: 15) Simon/Retzer, Bert Hellinger und die systemische Psychotherapie. In: "Psychologie heute" Juli(1998) S. 64 ff.

Bibliographie

Bibliographie

Deutsche Nationalbibliothek

Index Theologicus

Quellenlinks
Autoren Winfried Müller, Udo Schuster