Deprogrammierung
- Deprogramming
Menschenverachtende Methode, Anhänger einer devianten Gruppe oder Sekte zwangsweise aus dieser herauszuholen.
Hinter der Vorstellung verbirgt sich ein Bild, welches den Menschen als eine Art Computer vorstellt. Unter dieser Vorstellung stellte man sich vor, dass die Mitgliedschaft in einer devianten Gruppe, wie z. Bsp. der Vereinigungskirche des Mun, San Myung deren Gehirn "gewaschen" worden sei, also falsch "programmiert" sei. Die Methode geht auf Theodore Roosevelt Patrick, Jr. zurück und war bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts besonders in den USA eine verbreitete Methode, Angehörige einer Sekte "dort rauszuholen".
Ted Patrich beschrieb fünf Stufen der Deprogrammierung:
- Den Führer der Gruppe in Misscredit bringen, ihn "madig machen".
- Den Widerspruch von Ideologie der Gruppe zur Realität vergegenwärtigen. (z.Bsp.: "Wie kann man Liebe predigen wenn man Menschen ausbeutet?")
- Herausarbeiten der Bruchstelle: Wenn ein Anhänger beginnt, dem Deprogrammer zuzuhören, dann gewinnt die Realität über die Ideologie Vorrang.
- Selbstdarstellung: Das passiert wenn der Anhänger beginnt, sich zu öffnen und anfängt, gegen den Kult zu meckern.
- Identifikation und Übertragung: Wenn der Anhänger beginnt, sich mit dem Deprogrammierer zu identifizieren, beginnt er, lieber als Kultgegner denn als Anhänger des Kultes zu denken.
Diese Methode war seinerzeit durchaus anerkannt und wurde kostenpflichtig von einer Vielzahl von "Beratern" angeboten. Autraggeber waren in der Regel nahe Angehörige der Sektenmitglieder. In vielen Fällen wurden dann Sektenmitglieder mit Gewalt aus der Gruppe geholt, um sie danach der Prozedur der Deprogrammierung auszusetzen.
Kritisch muss bemerkt werden, dass die Methode der Deprogrammierung einerseits von einem mechanistischen Menschenbild ausgeht. Der Mensch ist eben kein Computer und keine Maschine. Andererseits rechtfertigt die Tatsache, dass sich jemand deviant (also wider den Mainstream) verhält, nicht die Anwendung von Entmündigungen und Gewalt, auch wenn dieses Verhalten schädlich, für die betroffene Person kostspielig oder gefährlich ist. Deprogrammierung ist eine Form der Entmündigung!
Der Psychologe Steve Hassan, der selbst 27 Monate Mitglied der Vereinigungskirche war, entwickelte in den 70er Jahren auf der Grundlage seines "BITE"-Modells eine Beratungstätigkeit, die auf Freiwilligkeit des Sektenmitgliedes baute. Er ging davon aus, dass sich bei dem Betroffenen erst ein bestimmtes Maß an Leiden und Widersprüchen in der Gruppe angesammelt haben müsste, bis dieser bereit sei, mit einem Berater zu sprechen und Hilfe beim Ausstieg anzunehmen. Er maß der Kontinuität der sozialen und familiären eine eminent wichtige Bedeutung bei der Stabilisierung des Betroffenen nach dessen Sektenausstieg zu.
Die moderne Beratungstätigkeit im Umgang mit Aussteigern aus Sekten und anderer Abhängigkeit oder Beziehungssüchten geht davon aus, dass der Betroffene den Wunsch nach Hilfe beim Ausstieg artikuliert oder durch schlüssiges Verhalten deutlich gemacht hat. Dabei wird bei der Beratung von Sektenmitgliedern und der ihrer Angehörigen in der Beratungsarbeit unterschieden. In der Praxis hat sich gezeigt, dass ein Großteil des Beratungsbedarfs auf die Angehörigen kommt. Diese Personengruppe benötigt eine besondere Zuwendung und oft auch viel psychologische und juristische Hilfe.