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Religiolexikon

Neubuddhismus

GND-Nummer

4506590-1

Oberbegriff
Synonyme
  • Neobuddhismus
  • Buddhistischer Modernismus
  • Neu-Buddhismus
  • Protestant Buddhism
  • Neo-Buddhism 
Kurztext

Sammelbegriff für moderne Bestrebungen im Buddhismus und für die seit dem 19. Jh. nachweisbare Rezeption des Buddhismus in der abendländischen Welt.

Haupttext

Der Neubuddhismus stellt einerseits eine Reaktion auf die Christianisierungsaktivitäten des westlichen Kolonialismus in Sri Lanka das, andererseits ist sie Ausdruck eines zunehmenden Interesses des Abendlandes an den "östlichen Weisheiten". Kolonialbeamte hatten zunehmend buddhistische Texte und Gedanken in ihre Heimat mitgebracht.

"Die Anfänge der buddhistischen Reformbewegungen gehen auf den aus Sri Lanka kommenden Dharmapala zurück, der den traditionellen Buddhismus radikal kritisierte, die Rolle des Laien neu bewertete und die Meditation als allg. Praxis einführte. Die Lehre des Buddha sei auf Vernunft gegründet, rationalistisch, atheistisch, wissenschaftlich, eine Lebensphilosophie, keine Religion. Eine starke Politisierung sowie fundamentalistische und nationalistische Tendenzen charakterisieren diese Bewegungen. Entstanden ist der buddhistische Modernismus (auch Neobuddhismus) in Ceylon (heute Sri Lanka) als ursprünglich kulturelle Erneuerungsbewegung des dort unter dem Druck europäischer Eroberungen und christlicher Missionen seit dem 16. Jahrhundert vom Niedergang bedrohten Buddhismus. Als Reaktion auf diese Überfremdung begab man sich auf die Suche nach der eigenen nationalen Identität und besann sich zunächst auf die eigene Kulturtradition, die als Bollwerk gegen die zunehmende Verwestlichung verstanden wurde. Die mit dem Kolonialstatus verbundene Demütigung und Abwertung der autochthonen Kultur, sowie die Diskriminierungen durch die Kolonialherren führten schließlich zur Politisierung des eigentlich weltabgewandten Buddhismus. Progressive westliche Ideen wie Demokratie und Sozialismus, die im Zuge der Kolonialisierung nach Ceylon und Birma gelangt waren, wurden als Errungenschaften der eigenen Kultur ausgegeben." (Wikipedia, Stand: 28. 09. 2018)

"Von philosophischer Seite war es vor allem Arthur Schopenhauer (1788-1860), der den Buddhismus aus dieser frühen wissenschaftlichen Literatur positiv aufnahm, da er hierin eine Bestätigung seiner Philosophie fand. Er nannte sich selbst einen "Buddhaisten". Autobiographisch bemerkt er: "In meinem 17ten Jahre, ohne alle gelehrte Schulbildung, wurde ich vom Jammer des Lebens
so ergriffen, wie Buddha in seiner Jugend, als er Krankheit, Alter, Schmerz und Tod erblickte. Die Wahrheit, welche laut und deutlich aus der Welt sprach, überwand bald die auch mir eingeprägten jüdischen Dogmen, und mein Resultat war, dass diese Welt kein Werk eines allgütigen Wesens seyn könnte, wohl aber das eines Teufels, der Geschöpfe ins Daseyn gerufen, um am Anblick ihrer Qual sich zu weiden." (Schopenhauer: Der handschriftliche Nachlass, hrsg. von A. Hübscher. Bd. IV,1, S. 96) Die Ablehnung des christlichen Gottesglaubens charakterisiert fortan auch die positive
Rezeption des Buddhismus in Europa. Darüber hinaus betrachtet Schopenhauer die indischen Religionen als Retter des im Untergang begriffenen christlichen Abendlandes. Er schreibt: "Der Verfall des Christentums rückt sichtlich heran. Dereinst wird gewiss indische Weisheit sich über Europa verbreiten. " (WW 3, S. 462) Schopenhauer gilt als "Wegbereiter des Buddhismus im Abendland" (Notz 33), da seine Schriften zahlreiche Deutsche anregten, sich dem Buddhismus zuzuwenden. Sie bildeten dann die erste Generation von deutschen Buddhisten." (Repp, Martin: Geschichte des Buddhismus in Deutschland)

Durch Thomas William Rhys Davids (1843-1922), der die Pali Text Society gründete, wurden buddhistische Orginaltexte auch Gegenstand wissenschaftlichen Interesses. Es entstand erst unter den Gelehrten, dann auch in der breiteren Öffentlichkeit eine Sympathiewelle zu Buddhismus. Erste buddhistische Vereine und Gruppen entstanden, in denen man versuchte, christliches und buddhistisches zu verbinden. Diese Gruppen entwickelten ein Eigenleben mit allen für Vereine typischen Querelen (Streit um die richtige Auslegung der Texte.).

Aus diesen Gruppen entwickelte sich eine Bewegung, die dann im 20. Jahrhundert einerseits in europäisch-buddhistischen Gruppierungen, aber andererseits auch in esoterischen Organisationen, wie der Anthroposophie oder in Sekten wie in der Hare-Krishna-Bewegung, der Sri-Chinmoy-Bewegung oder der Transzendentalen Meditation mündeten.

Zusammenfassung

Der Kontakt zum Buddhismus führte in den christlich determinierten Ländern dazu, sich mit der eigenen Religiosität auseinander zu setzen, wobei man durchaus den Buddhismus auch als Alternative zum Christentum in Europa diskutierte. Dieser Prozess wurde durch die sozialen und ökonomischen Brüche, welche die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts verursachten, verstärkt. Repp schreibt hierzu:

"Man kann den Buddhismus auch als echte Herausforderung für das Christentum heute auffassen, wenn man in der Faszination der Europäer am Buddhismus bestimmte defizitäre Entwicklungen des Christentums vor allem in der Neuzeit erkennt. Notz schreibt: "Die Tatsache, daß im Abendland als der angestammten Domäne des Christentums der Buddhismus als Alternative auftritt, bedeutet eine Anfrage an das Christentum selbst. Denn dem buddhistischen Angebot an Beantwortung (der) menschlichen Sinnfrage entsprechen
`offensichtlich tiefere Bedürfnisse der Menschen in der europäischen ... Industriewelt.`" (p. 320) Zu solchen Defiziten gehören etwa das Verschwinden von Meditation und Kontemplation in der Kirche, die “Verkopfung“ oder Rationalisiserung des Glaubens, die "Entkörperung" der Glaubenspraxis, die mangelnde Pflege der Frömmigkeit (praxis pietatis), usw. Daher kann die Begegnung mit dem Buddhismus, insbesondere die bewußt aufgenommene Kommunikation zwischen Christen und Buddhisten, zu einer Neu-Orientierung des Christentums in Europa führen. So kann der interreligiöse Dialog nicht nur zur kritischen Selbstreflexion führen und neue Perspektiven eröffnen, sondern ein positives, konstruktives Verhältnis zwischen beiden Religionen ermöglichen." (Repp, Martin: Geschichte des Buddhismus in Deutschland)

Bibliographie

Deutsche Nationalbibliothek

Index Theologicus

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Autoren Winfried Müller