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Protestantismus

GND-Nummer

4047538-4

Oberbegriff
Synonyme
Kurztext

Bezeichnung für die Gesamtheit der Nichtkatholiken in der westlichen Christenheit.

Haupttext

"Von den Gegnern des Protestantismus in herabsetzender Weise gebrauchter Begriff, der ursprünglich rechtlich-politischer Art war. Daher ist "Protestantismus" nicht nur ein konfessioneller Sammelbegriff für die reformatorischen Kirchen und ihrer Lehren, sondern hat auch kulturgeschichtliche Bedeutung." ( Kompaktlexikon Religionen , S. 280)

Der nordamerikanische Protestantismus und seine Bedeutung für die Entstehung der sog. "klassischen Sekten"

Sehr viele der sogenannten klassischen Sekten sind auf dem Boden des nordamerikanischen Protestantismus des 19. Jahrhunderts entstanden. Diese Entwicklung ist nur aus der Entwicklung der kirchlichen Verhältnisse in Nordamerika seit dem 17. Jahrhundert zu verstehen. Im Mutterland England erschütterten zu dieser Zeit starke Auseinandersetzungen zwischen der Staatskirche und den um Selbständigkeit der Gemeinden ringenden Independenten oder Kongregationalisten. Für diese war die Einzelgemeinde (congregatio) nicht mit der bürgerlichen Gemeinde identisch, sondern bestand nur aus den "wirklich Gläubigen". Daraus folgte die Forderung einer strikten Trennung von Staat und Kirchgemeinde.

Dieser Anspruch führte zu Verfolgungen mit dem Ergebnis, dass viele der Kongregationalisten erst nach Holland und dann in die englischen Kolonien Nordamerikas auswichen. Als dann mit der Verdrängung Frankreichs und Spaniens auf dem nordamerikanischen Kontinent auch der Katholizismus zurückgedrängt wurde, erhielt der kongregationalistische Protestantismus der englischen Siedler das Übergewicht. Hier sind wohl auch die Gründe dafür zu suchen, dass unmittelbar nach der Unabhängigkeitserklärung der "Vereinigten Staaten" im Jahre 1776 auch die strikte Trennung von Staat und Kirche in die Verfassung aufgenommen wurde. Danach gibt es in den Vereinigten Staaten keine Staatskirche. Kirche und Religionsunterricht sind Dinge, mit denen sich der Staat grundsätzlich nicht zu befassen hat. Daraus folgt weiter, dass alle Religionsgemeinschaften die gleichen Freiheiten genießen, welche nur dann eingeschränkt werden, wenn diese gegen Staatsgesetze verstoßen. Allerdings wird davon ausgegangen, dass in den Staaten ein allgemein-christlicher Grundcharakter bestehen würde, der bei der Mehrheit seiner Bürger einen Monotheismus als selbstverständlich voraussetzte.

Trotz dieser Trennung von Kirche und Staat blieb auch im Amerika des 19. Jahrhunderts der christliche Charakter der Gesellschaft erhalten, ja es behauptete sich eine strenge Religiosität, "das Gegenspiel zu dem ungemein entwickelten Erwerbssinn und der Herrschaft des Geldes mit allen daran haftenden sittlichen Schäden" ( Heussi, Karl: Kompendium der Kirchengeschichte,Tübingen 1981, S. 492). Gerade aus dieser Situation erwuchsen theologische Widersprüche, deren Lösung sich dann in der Gründung neuer Denominationen und Sekten wie den   Mormonen und den   Zeugen Jehova s   , niederschlug. Heussi beschreibt die Situation wie folgt:

  1. Charakteristisch für das religiöse Leben sind neben der strengen Sonntagsheiligung die Erweckungen ("revivals"), die zeitweilig fast epidemisch auftraten. (1800, 1826ff. 1857f.) ...
  2. Eigentümlich war ferner die Zersplitterung in zahlreiche Denominationen, deren Spaltungen und Wiedervereinigungen sich mit grosser Leichtigkeit vollzogen. ...
  3. Allen Denominationen, auch den ursprünglich klerikal-hierarchisch gearteten, war die starke Beteiligung des Laienelements eigentümlich....
  4. Als Ruhmestitel der amerikanischen Kirchen ist ihre grossartige praktische Tätigkeit hervorzuheben (Heidenmission,... innere Mission, soziale Reformen...
  5. Die geistige Bildung stand stark unter den Einflüssen der religiösen Denominationen. ...
  6. Die Theologie war, gemessen an der des europäischen Protestantismus, rückständig, die Vorbildung der Geistlichen sehr mangelhaft. ... " (Heussi, a.a.O. S. 492f.)

Auf diesem Boden der Zersplitterung konnten natürlich auch neue Religionsgemeinschaften entstehen, die dann im Verlaufe ihres geschichtlichen Weges zur Sekte wurden. Diese Entwicklung wurde besonders durch den Presbyterianismus mit seiner Rigorosität im Glauben, der sehr bildhaften Höllenvorstellung und einer Vergeltungstheologie, die Glauben belohnt, Laschheit aber mit den furchtbarsten Höllenstrafen belegt, gefördert. Dazu kam dann noch das Fehlen einer kulturell-religiösen Tradition. Alle diese Faktoren schufen dann in ihrer Zwiespältigkeit einerseits die typisch amerikanische Freiheit von allen Dogmen, andererseits aber führten sie zu Ängsten, beim Einzelnen oder ganzen Gruppen, die in Sekten und Psychokulten endeten.

Zusammenfassung

Die auf christlicher Basis beruhenden Sekten sind in der Regel vom Protestantismus beeinflusst. Die Ursachen liegen einerseits in der Tatsache, dass dem Gemeindemitglied das Recht zur eigenen theologischen Kompetenz eingeräumt wird und zum anderen darin, dass die evangelischen Gemeinden stark föderalistisch und nicht zentral gesteuert existieren. Das evangelische Bischofsamt versucht mit seinem Konstrukt des Bischofs als "primus inter pares" dem entgegen zu wirken. In der Geschichte der evangelischen Kirchen hat das nicht immer geklappt. So wurde und wird immer die theologisch regelnde Instanz des Bischos zu Gunsten einer "Privattheologie" in Frage gestellt.

Bibliographie

Deutsche Nationalbibliothek

Index Theologicus

Quellenlinks
Link zu Wikipedia
Autoren Winfried Müller
Geändert 20.04.2021