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Sperma-Gnosis

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Synonyme
Kurztext

"Sperma-Gnosis" ist ein Fachbegriff aus der wissenschaftlichen Literatur. Damit meint man den Jahrtausende alten Glauben, dass sich das Göttliche im Sperma befinde. Grundlage ist die Annahme, dass nach der Erschaffung des Universums der paradisische Zustand zerstört worden sei, sich die Mehrheit des Göttlichen aus allem Irdischen entfernt habe und nur noch Spuren davon im Sperma zurück geblieben seien.

Haupttext

Sperma-Gnostiker sehen es als ihre religiöse Aufgabe, soviel Sperma (also Göttliches) zu sammeln, um sich und die Menschheit wieder in den Urzustand des Göttlichen zurück zu bringen.

Dies geschieht mit Hilfe der Konsumation von Sperma, meist in der Form einer Hostie, auch Lichtkuchen genannt.

Da das Sperma den Logos, also Gott, enthält, wird es bei der Konsumation durch die Schleimhäute (Gaumen, Scheide, After/Darm, Eichel, Magen) aufge­nommen. Das erhöht das Logos-Konzentrat im Körper, also auch in der Prostata. Der Sperma-Gnostiker wird zu mehr Gott. Sein Sperma enthält noch mehr Gott als vorher. Dies findet seine Parallele in der hierarchischen Struktur des O.T.O., wo die Erleuchtung gradmässig erfolgt und sich in der Anwendung verschiedener Praktiken sperma-gnostischer Natur spiegelt.

Das Himmlische der Gnosis wird bei Aleister Crowley irdisch-magisch, nämlich sexualmagisch.

DAS SEXUALMAGISCHE SYSTEM NACH ALEISTER CROWLEY

Unter Aleister Crowley sollte (wie er 1944 schrieb) die Aufgabe des Ordo Templi Orientis (O.T.O.) sein, " to restore Christianity to its real status as a solar-phallic religion." Die Struktur des O.T.O. ist, ähnlich wie einige Freimaurerische Riten, auf einer Serie von Einweihungsritualen aufgebaut. Doch lediglich die höchsten Grade weisen auf die wahre Essenz des Ordens hin und ausschliesslich die Mitglieder dieser höchsten Grade können als "wahre" Mitglieder angesehen werden.

Diese sogenannten Hochgrade unterscheiden sich von den unteren Graden insofern, als dass es (außer für ein neu entworfenes pseudofreimaurerisches VIII°-Ritual) keine ausformulierten Ritualtexte und Einweihungen, sondern nur noch grobe Anleitungen gibt, die jeder selbst und individuell gestalten kann. Die Hochgrade haben manchmal eine doppelte Funktion: sie weisen eine bürokratische Aufgabe im Orden zu und verweisen zusätzlich auf eine bestimmte Art Sexualmagie. Der VII° bedeutet die Anbetung des Phallus als Baphomet, außerhalb des Körpers wie auch innerhalb. Im VIII° ist es die Interaktion des Spermas mit etwas außerhalb von Vagina und Anus, also eine Art magische Masturbation. In der Bürokratie des O.T.O. bedeutet der VIII° auch, dass man über Statuten, neue Regelungen etc. abstimmt. Das vom Caliphat entworfene VIII°-Ritual ähnelt einer Gnostischen Messe , die ohnehin dem IX° zugeordnet werden könnte. Der IX° bedeutet Interaktion des Spermas innerhalb der Vagina, entweder im Zusammenhang mit Blut oder mit Vaginalsekreten. Jeder IX° ist auch ein VIII° und bestimmt also ebenfalls über das Geschick des Ordens. Der X° bedeutet die Befruchtung eines Eies (zum Beispiel eines Homunkulus) und die Aufgabe, einen Nachfolger für sich im O.T.O. zu finden oder (hier kommt wieder die bürokratische Funktion zum Vorschein) das nächste Oberhaupt zu wählen.

Für den XI° gibt es zwei Variationen:

a) Isolierung im Anus; es wird angenommen, dass dort keine Interaktion des Spermas stattfinden kann.

b) Es findet eine Interaktion mit Exkrementen (einer von Crowleys Lieblings-ingredienzen) und kleinen Mengen von Blut, das bisweilen durch Analverkehr frei wird, statt.

Dieser Grad hat keine bürokratische Funktion. Im Typhonischen O.T.O.zum Beispiel bedeutet der XI° Interaktion mit Menstrualblut und anderen Körperflüssigkeiten. In diesem O.T.O. gibt es keine homosexuellen Praktiken, die auf die Gradstruktur hinweisen - und umgekehrt. Bei Crowleys Originalversion hingegen bezieht sich der XI° auf hetero- und homosexuelle Praktiken. Hauptsache: anal.

Erst durch den Kontakt mit dem Elixier verwandelt sich der bisher nur potentielle Magier in einen aktiven Magier. Durch Essen. Das perfekt zubereitete sexualmagische Elixier aus Sperma, Vaginalsekreten und anderen Körpersäften muss vom Magier am besten durch Saugen aus der Vagina oder dem After (falls auch Exkremente eine Rolle spielen sollen) eingesammelt und wieder mit dem Partner oder der Partnerin geteilt werden. Das richtig zubereitete sexualmagische Elixier ist kräftig, süß und stark. Es wird rhythmisch von einem Partner zum anderen in den Mundhöhlen hin und hergereicht, ohne mit der Luft in Berührung zu kommen. Es muss von den Schleimhäuten aufgenommen und darf zunächst nicht geschluckt werden. Deshalb behalten die Magier das Elixier unter der Zunge, wo sie es langsam und portionsweise mit dem Partner durch einen Zungenkuss austauschen, während sich beide (durch die Konsumation nun voll aktiven Magier) auf ihr Ziel konzentrieren. Dieses Ziel kann durchaus zum Beispiel das Heranschaffen von Geld sein, oft ist es jedoch der Kontakt zu einer außermenschlichen Wesenheit, also zu einem Engel oder Dämon, dem man Fragen jeglicher Art stellt. Das Lebenselixier kann durch die Nase in die Stirnhöhle hinaufgesaugt oder auf den Anus, den Damm oder auf die Augenbrauen appliziert werden. Zusätzlich lässt sich das aus diesem Akt gewonnene Elixier in den After einführen und wieder, zusammen mit den Analsekreten, nach Belieben verwenden. Eine Portion wird aufbewahrt und in physischen Kontakt mit dem magischen Bindeglied (The Magical Link), zum Beispiel einem Pergament oder einem Talisman mit den entsprechenden Symbolen darauf, gebracht. So schmiert man, etwa um Geld zu beschaffen, das Elixier auf eine Goldmünze oder einen Ring - für Gesundheit berührt man damit die Erde oder reibt es auf den nackten Patienten. Das ganze wird ja auch als Medizin gegen Asthma, Bronchitis, Neurasthenie, Fettleibigkeit, einige Herzbeschwerden, graues Haar und Impotenz gesehen. Damit kommen wir von der Sexualmagie zur Sperma-Gnosis. Da das Sperma den Logos, also Gott, enthält, wird es bei der Konsumation durch die Schleimhäute (Gaumen, Scheide, After/Darm, Eichel, Magen) aufgenommen. Das erhöht das Logos-Konzentrat im Körper, also auch in der Prostata. Der Sperma-Gnostiker wird zu mehr Gott. Sein Sperma enthält natürlich noch mehr Gott als vorher. Das würde bedeuten, dass im O.T.O. der Prozess der Gottwerdung in Abhängigkeit von der Häufigkeit der Spermakonsumation steht: Nicht immer ist aber die Konsumation von Sperma Hauptziel des thelemitisch-religiösen Geschlechtsaktes. Eine Variation weist die Praktizierenden an, jeden Orgasmus als Vereinigung mit dem Universum zu erleben. Als eine Art tantrische Neuschöpfung des Universums. Im Gegensatz zum Christentum, wo die Schöpfung einmalig, nicht wiederholbar ist, unterliegt im Tantrismus die Schöpfung einer permanenten Wiederholung. Die Thelemiten sind jedoch keine eigentlichen Tantriker, da bei den Thelemiten immer alles "Unter Willen" geschehen muss und der Orgasmus folglich immer im Dienste von irgendetwas stehen sollte. Das beste Elixier wird im Selbstverständnis des O.T.O. natürlich nur von den höchsten Graden erzeugt. Oft werden die höchsten Grade auf genau diese Art und Weise übertragen.

Das findet man alles ganz offen in Crowleys Schriften sobald man die Insidersprache versteht. Sexualmagie wird bei Crowley meist in alchemistischer Sprache beschrieben: Roter Löwe = männliches Prinzip; Weißer Adler = weibliches Prinzip; Athanor = Penis; Kukurbit oder Retorte = Vagina; Schlange oder Blut des Roten Löwen = Sperma; Gluten oder Menstruum = Vaginalsekrete; Prima Materia = Sperma und Vaginalsekrete gemischt; Elixier oder Tinktur = durch Magie belebte Prima Materia.

Theodor Reuss und Crowley haben einen gut gedüngten gnostischen Nährboden libertinistisch übernommen, obgleich beide ihre Quellen nicht so ausführlich angeben. Im Gemeinschaftswerk von Reuss und Crowley, der Gnostisch Katholischen Messe des O.T.O., findet man den "Gnostizismus" des O.T.O. illustriert. Nur halbwegs die Pflichten der Manichäischen Auserwählten übernehmend (nämlich durch Konsumation das Göttliche Licht wieder einzusammeln, das der logos spermatikos spurenweise im Menschen hinterließ, als er wieder ins Pleroma zurückkehrte), vernachlässigen die beiden den asketischen Aspekt des Manichäismus (Fleischverzicht, keine körperlichen Aktivitäten, die das Göttliche Licht im Menschen wieder zerstreuen würden, etc.) und konzentrieren sich auf die Herstellung des Göttlichen Licht-Körpers, der durch Konsumation die Rückkehr in den Heiligen Bereich des Himmels, das Pleroma, ermöglichen soll. Dieser Licht-Körper ist die aus Sperma, Vaginalsekreten und Menstruationsblut bestehende Hostie. So wird aus der Gnostisch Katholischen Messe à la O.T.O. und dem IX° O.T.O. eine Parodie der christlichen Eucharistie, was vor allem die Konsumation der Hostie (die auch als Universalmedizin eingesetzt wird) betrifft. Lange vor Crowley hat Clément de Saint-Marc das Geheimnis entdeckt: "Wie kann ein Mensch veranlassen, dass man sein Fleisch isst und sein Blut trinkt, ohne sich zu zerschneiden, sich ein Glied auszureißen, sich zu verletzen, ohne der Ganzheit seines Körpers Schaden zuzufügen? Wir haben keine Wahl; wir müssen es so nehmen, wie es uns die Wissenschaft liefert: das Sperma des Menschen ist essbar: halb-fest, halb flüssig und kann so gleichzeitig gegessen und getrunken werden; und ist so gleichzeitig Fleisch und Blut."Und:"Es ist also nicht völliger Aberglaube, dieser absolute Glaube, durch Verzehr von Sperma eine Verbindung zwischen dem Menschen und Gott herzustellen." Das ist das zentrale Geheimnis des O.T.O.

Crowley benützte für Privatzwecke auch eine ganz besondere weitere Mischung für seine Hostie. Zwischen 1920 und 1923 frönte er den Drogen Kokain, Äther und Heroin, der Koprophagie und sadomasochistischen Phantasien, in denen er als Sklave fungierte. "In my Mass the Host is of excrement[seiner Geliebten, er meinte aber auch einmal, dass das Ziegenkot sein könnte] that I can consume in awe and adoration; while I make my Holy Guardian Angel the latrine of my imagination." Das entstammt Crowleys Tagebucheinträgen vom 5. Juli und 13. August 1920.

Zusammenfassung
Bibliographie
Quellenlinks
Link zu Wikipedia
Autoren Peter-R. König
Geändert 29.08.2015