Home / Religiolexikon / O / Ordo-Templi Orientis

Religiolexikon

Ordo-Templi Orientis

GND-Nummer

5509666-9

Oberbegriff
Synonyme
  • Order of Oriental Templars
  • Order of the Temple of the East
  • OTO (Abkürzung)
  • Orden des Östlichen Tempels
  • Orientalischer Templerorden
  • O.T.O. (LCAuth)
Kurztext

Der Ordo Templi Orientis wurde 1906 von Theodor Reuss, einem Sänger und Zeitungskorrespondenten und Agenten für Deutschland im Ersten Weltkrieg gegründet. Aus pseudofreimaurerähnlichen Gruppen zusammengesetzt, wurde der O.T.O dank seiner sexualmagischen Ausrichtung und seinem Rückgriff auf angebliche Traditionen des im Hochmittelalters zerschlagenen Templerordens zum populärsten Okkultorden des 20. Jahrhunderts.

Haupttext

Nach dem Tode des Gründers Reuss, 1923, entstanden mehrere konkurrierende O.T.O-Gruppen. Die bekannteste führte der Engländer Aleister Crowley bis zu seinem Tod 1947. Nach Crowleys Tod stritten sich eine schweizer, eine englische, eine brasilianische und eine kalifornische Gruppe um die rechte Nachfolge.

Für die Mitglieder sind zwei Argumente wichtig, welches der "richtige" O.T.O. sein könnte: die sogenannte magische Nachfolge von einem Oberhaupt zum nächsten und/oder die juristische.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war der schweizer O.T.O. der weltweit aktivste, gefolgt vom englischen. In den 70er Jahren tauchten dann der brasilianische und der amerikanische O.T.O. auf.

Der schweizer O.T.O., bis zu seinem Tod 1990 vom ehemaligen Bäcker, Hypnotiseur und Ex-Kommunisten Hermann Joseph Metzger geleitet - gründete in den 1950er Jahren die Abtei Thelema in Stein, AR, benannt nach dem "Kloster des Freien Willens", das Crowley in den 1920er Jahren auf Sizilien führte. Ursprung dieser Idee liegt bei Rabelais' "Gargantua et Pantagruel".

Bis in die 1970er Jahre wurden Kurse über Philosophie, Alchimie, Psychologie und Magie angeboten. Ein Tempelraum dient bei entsprechenden Ritualen. Am gleichen Ort hatte auch die so genannte Gnostisch Katholische Kirche ihren Sitz, eine Art liturgische Schwesterorganisation des O.T.O.

Die in den 1970er Jahren von Grady Louis McMurtry gegründete kalifornische Gruppe, heute unter der Leitung des Franko-Kanadiers William Breeze, wird auch Caliphat genannt, sieht sich selber als einziger richtiger O.T.O. Sie ist die weltweit aktivste mit den meisten Mitgliedern: circa 3000. In Deutschland dürften es an die 100 sein. Die genaue Anzahl ist schwer zu eruieren, da dieser O.T.O. auch gerne Karteileichen zu noch aktiven Mitgliedern zählt.

Der amerikanische O.T.O. beansprucht heute die Rechte an allen Werken Aleister Crowleys und beruft sich dabei auf ein Urteil eines Londoner Gerichts aus
dem Jahre 2000. Die wichtigste Einnahmequelle dieses O.T.O. ist das Aleister Crowley Tarot Set, das von der Mueller AG in der Schweiz hergestellt wird.

Mittlerweile sind die Führer der schweizer und der brasilianischen Version verstorben und deren Aktivitäten erloschen. Ebenso verlor die englische Variante ihr Oberhaupt und musste aufgrund eines verlorenen Gerichtsprozesses den Namen O.T.O. ablegen: man nennt sich nun Typhonian Order. Die englische Version unterschied sich sowieso seit den 60er Jahren inhaltlich wie auch formell von den anderen Variationen. Während für den amerikanischen O.T.O. Crowley das A und O ist, fungiert er in der englischen Version lediglich als eine Inspirationsquelle unter vielen.

Die brasilianische und englische O.T.O.-Variante sind im deutschsprachigen Raume praktisch inexistent. Der ehemalige schweizer O.T.O. hat sich nach dem Tode seiner Exponenten langsam aufgelöst, respektive nimmt seine Mitglieder in einer ArtIlluminaten-Orden auf. Ein grosser Teil seines Ordensarchivs ist seit 2009 öffentlich einsehbar: es befindet sich in der Kantonsbibliothek Appenzell Ausserhoden.

Da alle Konkurrenten juristisch aus dem Weg geräumt worden oder schlichtwegs verstorben sind, meint man heute den amerikanischen O.T.O., wenn man vom O.T.O. spricht (bis in die 1970er Jahre war damit der schweizer O.T.O. gemeint). Im Grunde genommen findet die Reputation des O.T.O. vor allem in den Medien statt, welche die meist harmlosen Rollenspiele, hier Initiationen genannt, oder den schon lange verstorbenen Aleister Crowley skandalisieren. Der O.T.O. führt sogenannte Camps, Oasen oder Logen als lokale Unterabteilungen. Der Hauptsitz ist im Vereinsregister eingetragen und die Untergrüppchen können als kleine lokale Versuche angesehen werden, mit Selbsterfahrungskursen, die sich mit all dem beschäfti­gen, was man überall in esoterischen Buchhandlungen und Seminaren finden kann, Geld zu generieren: Atemübungen, ein bisschen Yoga und Meditation. Die Bücher, die sie publizieren, handeln von philosophischen Themen, vor allem über die Selbstfindung. Dazu benutzen sie für sich hochtrabende Bezeichnun­gen, wie Orden, sehen sich gerne als bessere Menschen und möchten, dass alle ihrer Weltanschauung folgen, die wie ein Supermarkt all dessen anmutet, was man heutzutage in der esoterischen und okkulten Szene findet. Generell kann man sagen, die O.T.O.-Gruppen sind bürokratische Vereine (oder Firmen), die, ähnlich wie Scientology, mithilfe von Kursen, Büchern, Spielkarten und Rollenspielen (die hier Einweihungenoder Initiationengenannt werden), Lebenshilfe verkaufen. Das einzige, was die verschiedenen O.T.O.-Versionen von einer alltäglichen Selbster­fahrungsgruppe oder einem esoterischen Wochenendseminar unterscheidet, ist die Praxis, ein Gemisch aus Sexualssekreten und anderen Körperflüssigkeiten als eine Art hypnotische Egosteigerung zu essen. Fast allen konkurrieren­den O.T.O-Gruppen ist gemeinsam, dass sie, genauso wie Scientology, sich auch als religiösbezeichnen, was jedoch vor allem im Hinblick auf die Steuerbefreiung in gewissen Ländern geschieht. Falls trotzdem ein Zusammenhang zwischen einer Religionszugehörigkeit und den O.T.O.-Vereinen bestünde, dann wäre es fraglich, um was für eine Religion es sich denn überhaupt handeln sollte, da, laut eides­stattlicher Aussage des amerikanischen Chefs des amerikanischen O.T.O., William Breeze, Mitglieder der verschiedensten Religionszugehörigkeiten in seinem O.T.O.-Verein sind. Laut seinem 2. wichtigsten O.T.O.-Mitglied William Heidrick "sind ca. 2/3 der Mitglieder ursprünglich jüdischen Glau­bens gewe­sen." 1985: "about 1/3 of O.T.O. members are also involved in Wicca, about 1/3 Jewish [...] and an unknown but small minority of O.T.O. members may actually believe in the Chri­stian Devil."

Zusammenfassung

Wie bei den meisten okkulten Organisationen besteht auch der O.T.O. auf rigide Hierarchie und Unterordnung unter die jeweilige Gruppenleitung, was grosse Spannungen innerhalb der Mitglieder nach sich zieht.

Bibliographie

Deutsche Bibliothek

Quellenlinks
Kritische Links
Link zu Wikipedia
Autoren Peter-R. König